06 Aug Wissensnetzwerk Stadt und Handel präsentiert Leipziger Erklärung 2.0
„Digitale Bürger suchen analoge Städte“! Dies ist eine von neun Thesen zur Zukunft von Stadt und Handel im Zeitalter der Digitalisierung, die Prof. Wolfgang Christ für das WSH zur Diskussion stellt. 1999 wurde mit der ersten ‚Leipziger Erklärung zur Zukunft von Stadt & Handel“ die Herausforderung der Jahrtausendwende erkannt: Wie integrieren wir Stadt & Shopping Center? Heute lautet die drängende Frage, ob und wie sich unsere Städte mit dem Online-Handel arrangieren können.
Die Leipziger Erklärung 2.0
„Geschichtlichkeit, Schönheit und Raumqualität gehören zu den Kennzeichen der europäischen Stadt. Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts wird diese Begabungen zu schätzen wissen, wenn es darum geht, Funktionen wieder zu mischen, Räume als Erlebnis zu genießen und jenseits von digitalen Medien von Mensch zu Mensch unmittelbar zu kommunizieren.“
Leipziger Erklärung zur Zukunft von Stadt und Center, 19. Oktober 1999
Re:Code Für die Europäische Stadt gilt die Maxime: Markt macht Mitte! Selbst deren Antithese – Suburbia – nutzt die Prägekraft der Handelsmitte im Modell des Shopping Centers. Doch im Zeitalter der Digitalisierung schwindet die topologische Symbiose zwischen Stadtkultur und Handelskultur: Läden sind nicht mehr an Lagen gebunden. Die Güter des Konsums zirkulieren digital im world wide web, landen analog im Warenkorb und werden Stück für Stück logistisch mobil. Ort und Räume verlieren das historische Privileg der Zentralität
Herausforderung No 1:
Der Quellcode des Stadt-Handels muss neu programmiert werden!
Re-Mix Stadt und Handel differenzieren sich im Prozess der Moderne aus. Mit der Kernspaltung der Stadt werden potentiell alle Funktionen zweckrational optimiert und räumlich separiert. Das Erbe der Industriekultur ist nun der Ausgangspunkt für das Zeitalter der Digitalisierung. Das Internet vernetzt die Dinge wieder feinmaschig. Und es dringt in die innere Natur des Individuums, also in dessen Körper, Geist und Seele, vor. Der arbeitsteilige Raum entmischt sich bei gleichzeitiger Verdichtung der Funktionen. Der virtuelle Datenraum ist Gegenwart.
Herausforderung No 2:
Die Formate und Formen des Stadt-Handels müssen neu konfiguriert werden!
Re:Plan Stadtplanung und Projektentwicklung sind das Produkt von komplexen Entscheidungsprozessen. Wissen ist traditionell das exklusive Kapital von Experten. Es ist eingeschlossen in deren Sprache und Gesten, Methoden und Instrumentarien. Doch im Zeitalter der Digitalisierung machen Daten, Bilder, Audio- und Videoinformationen und die virtuelle Simulation von Wunsch und Wirklichkeit Planungsprozesse „für alle“ transparent. Die Rolle der Spezialisten verändert sich. Die Zivilgesellschaft besitzt das Potenzial die Planungskultur zu prägen.
Herausforderung No 3:
Die Projektkultur des Stadt-Handels muss neu austariert werden!
Neun Thesen zur Zukunft von Stadt & Handel im Digitalen Zeitalter
1.Der Handel ist Moderator der Moderne
Neue Technologie, ein neuer Lebensstil und das Versprechen eines besseren Lebens kommen stets zuerst in der Alltagskultur des Handels zum Vorschein.
2.Der Wandel trifft die Stadt ins Herz
Der Handel trägt die kreative Zerstörung des Überkommenen in die Mitte der Stadt. Das Neue muss Platz im Alten finden.
3.Die Digitalisierung fügt zusammen, was zusammen gehört.
Das Internet ist eine Stadtmaschine. Es ist Raum und Struktur funktionaler Dichte und kemplex gefügter Vielfalt. Der Handel ist darin allgegenwärtig.
4.Digitale Bürger suchen Analoge Städte
Das Stadtquartier ist die analoge Insel im digitalen Meer. Es ist der komplementäre Raum der Wissensgesellschaft: Lebensqualität wird mit Stadtqualität identifiziert.
5.Urbanität ist das Tor zum Point of Sale.
Urbanität ist die neue Zentralität der Stadt. Das Alleinstellungsmerkmal des stationären Handels ist all das, was nicht digitalisierbar ist: Atmosphäre, Authentizität, Aura.
6.Handel 4.0 vernetzt Läden und Lagen.
Die Unternehmen des Handels integrieren die Lauflagen innen, die Fahrlagen außen und die Surflagen in der Cloud zu einem nachhaltigen Netzwerk des Konsums.
7.Die Stadt ist die gestaltende Kraft.
Der Stadtwert prägt den Wert der Immobilien und des Handels. Die Stadtplanung entwickelt urbane Typologien als integrale Bausteine der Renaissance der Mitte.
8.Die Universität kultiviert den Zusammenhang.
Forschung und Entwicklung sind die Basis für die Zukunft von Stadt und Handel im digitalen Zeitalter. Wissenschaftliche Unabhängigkeit ist ein Gewinn für alle.
9.Konsumkultur heißt „Community Building“.
Der Handel schafft Orte, Räume und Gelegenheiten für ein gebautes soziales Netzwerk im Medium des Konsums. Voraussetzung ist eine urbane Agenda.